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Dondo, 6 Jahre, Warmblut

März 2012: Nach zwei Klinikaufenthalten wegen beginnender Kissing Spines, entzündetem Rücken und in der Folge Abbuckeln der Bereiterin (die dann den Beritt aufkündigte), hieß es aus angeblich gut unterrichteten Profireiterkreisen, dass wir unseren 6-jährigen Warmblut-Wallach Dondo allenfalls noch vor die Kutsche spannen könnten. Zweimal war mir nach den üblichen Kortison-Injektionen und osteopathischen Behandlungen von den Klinikärzten empfohlen worden, ihn jetzt ordentlich vorwärts-abwärts reiten zu lassen (von wem, wurde nicht gesagt - alle Berufsreiter, die ich gefragt hatte, steigen nicht auf ein buckelndes Pferd…).

Beim zweiten Mal hat's dann zwischen zwei Heulkrämpfen bei mir geklingelt. Schreibt da nicht ein gewisses Ehepaar Schöneich, dass das VA-Reiten eines nicht am Boden gerade gerichteten Pferdes auf der Vorhand landet und der Rücken sich gar nicht aufwölben kann? (Ich bin zwar Reitanfänger, aber gelesen hatte ich so gut wie alles – hat auch seine guten Seiten, Herr Schöneich!).

Zwei Wochen später stand Dondo in Bedburg-Hau zur Analyse. Dass er grottenschief war und die rechte Schulter runterhing, wusste ich ja schon, das konnte ein Blinder mit Krückstock sehen. («Wird vom Sattel aus erledigt», hieß es – was für ein fataler Irrtum!). Die Zeitlupenaufnahme zeigte dann, dass das Pferd im Brustkorb festhing, und der Rücken sich bei jedem Schritt nach unten bewegte - man konnte die sich küssenden Dornfortsätze förmlich sehen!


Dann begann der lange, dornige Weg, den die Schöneichs mit Dondo gegangen sind. Es fiel anfänglich auf, dass er sich nach innen zurückgezogen hatte, und es brauchte Horsemen und -women Marke Schöneich und mehr Zeit als ursprünglich geplant, um ihn wieder zur freudigen Kontaktaufnahme mit dem Menschen zu bewegen. Dann wurde von der die ARR-Pferde betreuenden Pferdezahnärztin entdeckt, dass er schon sehr lange einen gebrochenen und inzwischen vereiterten Schneidezahn hatte, der gezogen wurde. Das alles ging glatt über die Bühne, und der Fortschritt an der Longe ging rasch vonstatten. Wir sahen ein munteres, aufmerksames, wunderbar ausbalanciertes sich selbst tragendes Pferd, dessen Rücken nach oben schwang, und jetzt konnte man sich fast den Trennungsschmerz der Dornfortsätze vorstellen!

Aber zu früh gefreut: monatelanges Gerittenwerden unter Schmerzen hatte Dondo ein massives Sattel- und Gurttrauma beschert. Er explodierte im wahrsten Sinne des Wortes, wenn man sich nur mit einem Sattel näherte. Physisch bestens in Schuss, psychisch schwerst traumatisiert. Wieder waren die Erfahrung, das Einfühlungsvermögen und das Fachwissen der Schöneichs erst nur eine Hoffnung, dann die Rettung. Über viele Wochen unter schrittchenweiser Reduzierung der Sedierung lief Dondo stabil mit Sattel an der Longe. Es war sogar ein extra dick gepolsterter Gurt gebastelt worden. Dann erfolgte das «Anreiten» (Dondo war eine Remonte mit Trauma, schlimmer geht's nicht) an der Longe mit dem Bereiter Martin oben drauf (danke schon mal dafür, Martin - ich hätte wahrscheinlich gekündigt. Schließlich hatte Dondo Dich ja bei seiner «Explosion» ziemlich verletzt…). Was für ein Tag, als man mir am Telefon sagte, dass Dondo mit Martin in der Halle war! Behutsam gelang der Übergang von den Schöneichs als Bezugspersonen zu Martin. Der Einzug in die Reithalle glich einer Mini-Prozession: Herr Schöneich, Frau Schöneich mit Leckerli-Eimer, Martin, Dondo und hintendran eine zittrige Besitzerin – ein Bild für die Götter! Es wurde dann gottseidank schnell selbstverständlich für Dondo, von Martin gearbeitet zu werden – ich hätte die Schöneichs samt Leckerli-Eimer ja auch schlecht mit nach Tübingen nehmen können (auch wenn ich's liebend gerne getan hätte!).

Die für mich größte Hürde stand noch bevor: ich musste rauf (ich hatte natürlich auch ein Trauma, und wenn man erst in den 50ern auf den Pferdetrichter kommt, hat man selbst mit einem gesunden Pferd mit manchen Widrigkeiten zu kämpfen). An dieser Stelle will ich mich besonders für die geduldige, verständnisvolle und aufbauende Betreuung meiner zeitweise recht instabilen Seele bedanken. Niemals gab es Hektik, obwohl alle hier einen langen, intensiven Arbeitstag haben. Immer war Zeit für ruhige, ausführliche Gespräche mit mir.(Schon alleine die Beratung zum Thema «Sattel» hat die beiden Stunden gekostet). Mein Freund und ich haben einen hervorragenden Longier-Unterricht bekommen (dafür, dass Jörg durch die Schöneichs meine Leidenschaft für Pferde teilen gelernt hat, bin ich auch unendlich dankbar), ich wurde von Frau Schöneich an der Sitzlonge gebimst (auf unserem nicht mehr reitbaren Kutsch-Pferd!), und dann gab es Reitunterricht von Martin und Herrn Schöneich. Alles mit vielen Erklärungen, warum man etwas macht. Jede Frage wurde mit Geduld beantwortet, jeder zum 10. Mal gemachte Fehler ruhig korrigiert. Ich wurde immer dort abgeholt, wo ich stand, und die Zielsetzung war immer, dass ich mein Pferd zuhause reiten konnte, ohne von irgendwem abhängig zu sein. Und da sind wir jetzt: Pferd und Reiter losgelassen, entspannt, zufrieden (das Pferd) und voller Selbstvertrauen (die Reiterin). Bei uns beiden sind Grundlagen gelegt worden, auf denen wir jetzt aufbauen können – ich werde jeden Kurs besuchen, der in Deutschland stattfindet.

Ich habe unendlich viel über Pferde, Fütterung, medizinische Probleme etc. gelernt, viele Pferde bei der Arbeit beobachtet und hier erst begriffen, wie unterschiedlich sie sind und wie groß ihre Probleme sein können. Wir haben beide das Gefühl, eine kleine Pferdeakademie besucht zu haben. Und ein ästhetischer Hochgenuss ist das Ganze auch: zu sehen, wie die Schöneichs z.B. Halswirbel für Halswirbel lockern und auf den Kreisbogen einstellen, wie ein zunächst ob seiner Unausbalanciertheit höchst gestresstes Pferd sich zunehmend wohler in seinem Körper fühlt (und das geht vielleicht schnell), sich entspannt und loslässt – das ist Kunst. Wir haben hier einen unserer erfüllendsten Urlaube verbracht und werden jedes Jahr mindestens einmal wiederkommen. Es hat natürlich ein Loch in die Kasse gerissen, aber uns ist unser Pferd wiedergegeben worden (die Kutsche hätte ja auch einiges gekostet), und ich habe eine reiterliche Zukunft. Was hätten wir uns und dem Pferd ersparen können, wenn wir Dondo gleich zur Grundausbildung nach Bedburg-Hau gebracht hätten!